Freitag, 1. Februar 2008

Bergsteigen

Bergtouren haben schon etwas an sich. Nicht nur aufgrund der naturnahen, zivilisationsfernen Zeit und der Hingabe zu einer ganz eigenen Welt. Nein, gerade auch weil sich viele Herausforderungen in das alltäglich Leben übertragen lassen.

Das beginnt bereits bei der Vorbereitung und Planung: Welcher Berg entspricht meinen Fähigkeiten und stellt doch eine gewisse Herausforderung dar?
Daraufhin folgt die Frage, was ich denn dafür brauche. Genauso wie der Tag nur 24h hat, ist auch der Rucksack und die eigene Tragfähigkeit beschränkt. Was nehme ich also mit auf meinem Weg, was wird mich unterstützen und stärken? Und was wird mich eher belasten und die Erreichung meiner Ziele erschweren? Das sind Fragestellungen, die ich mir beinahe täglich stelle. Denn sie lassen einem jegliche Gewohnheiten und auch Bequemlichkeiten hinterfragen, ob sie es denn wirklich wert sind, sie weiter mit sich zu tragen.

Es ist es wert, genauer hinzusehen.

Das fängt bei offensichtlichen Lebensbereichen wie Essgewohnheiten, Bewegung und Sitzhaltung an und endet beim subtileren Umgang mit sich selbst. Wie kommuniziere ich mit mir und anderen?
Etwas, das mich ständig begleitet, sind meine vielen Vorhaben und Planungen. Das beginnt bei früherem Schlafen gehen und reicht zu unzähligen Veranstaltungen, die ich am liebsten zeitgleich besuchen würde. Wenn dies dann oft nicht gelingt, höre ich mich selbst kritisieren. "Toll, wieder nicht rechtzeitig auf die Uhr gesehen, und wieder deine Zeit vertrödelt." So ein Käse! Auch wenn es manchmal richtig schwer fällt, so ist es doch notwendig, es doch einfach anzunehmen, wie es ist. Ja ok, jetzt habe ich mich nun mal diesem und jenem gewidmet. War doch keine schlechte Sache, oder? Na eben. Und wenn doch (siehe oben), dann lerne ich jetzt daraus - wie schön. Und morgen gelingt es mir vielleicht schon besser.

Paul Coelho's "Auf dem Jakobsweg"

... bringt den Protagonisten soweit, dass er jeden Vorwurf gegen sich selbst durch das Hinzufügen eines physischen Schmerz ausgleicht - um den seelischen Schmerz, der dabei verursacht wird, auch körperlich wahr-zu-nehmen. Wenn ich manchmal durch die Stadt spaziere und so manchen Leuten bei ihrem miesgelaunten Gemurmel zuhöre, denk ich mir stets: Aua!! Das muss aber weh tun, mein Mitgefühl! Kennst du "free hugs"? Da, wo Leute sich in eine Menschenmenge stellen und Umarmungen umsonst anbieten? Das wäre wohl die richtige "Medizin" gegen all diese Schmerzen. :-)

Das alles ist übrigens nicht aus der Luft gegriffen, sondern ist auch in der Psychoanalyse Thema, es gibt sogar das Wort Psychohygiene, bei der der Kopf von sämtlichen unnötigen bzw. krank machenden Gedanken befreit werden soll. Andere nennen das wiederum Meditation. Wobei:

Ist nicht bergsteigen eine Art Meditation?


Schritt für Schritt, achtsam, kräftesparend ... einer nach dem anderen. Nie das Ziel aus den Augen verlieren und doch den Weg zum Ziel machen, bergsteigen ist schon eine Weisheit für sich. Manches Mal, wenn der Anschein erweckt wird, dass einfach nichts weiter geht, können auch Zweifel entstehen: War das wirklich die richtige Entscheidung? Kann einem das Ziel weiter motivieren, lässt sich das eigene Potenzial dabei entfalten oder ist doch einige Last zuviel im Gepäck? Weg damit! Und falls es trotzdem nicht so richtig laufen will - bin ich denn überhaupt hier richtig? Ist das die richtige Herausforderung für mich? Oder ist vielleicht gerade das Zulassen des eigenen Scheiterns meine richtige Prüfung? Ja, ich darf mich falsch entschieden haben! Ja, ich darf Fehler machen oder einfach zu schwach sein!

"Kein Wind ist der richtige, solange du nicht weißt, wohin du segelst."


Sobald das Ziel klar ist, lässt der Aufwind nicht lange auf sich warten und mit jedem Schritt, der richtig gesetzt wird, erringt mensch Klarheit. Nicht nur über sich, sondern auch über seine Mitwelt. Immerhin ist diese genauso bei ihrem Versuch, sich Stufe um Stufe zu heben, weiten.

Einer der schönsten Momente ist, wenn sich nach einem anstrengenden Aufstieg das Blickfeld langsam erweitert und verborgenen Welten erschlossen werden. Das eine verbindet sich mit dem anderen und es entsteht ein ganzheitliches Bild. Bis schlussendlich der Gipfel in Sicht ist, und einem ein Gefühl von Freiheit die gesamte Anstrengung vergessen lässt. Dies ist Krönung der eigenen Reise. Auch wenn der Abstieg nicht ewig auf sich warten lässt, so prägen einem jene Erlebnisse und geben einem Kraft für die nächsten Touren im Laufe des Lebens.

Zuletzt noch fünf Zeilen, die einem Schritt für Schritt zeigen, was in unserer Hand liegt. Sie zeigen auf einer wundervollen Art und Weise, dass wir unser Erleben in weitem Ausmaß beeinflussen können und wir unser eigener Bergführer sind.


"Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal."

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