Donnerstag, 31. Januar 2008

Gut gemeint

"Lass dir aus dem Wasser helfen, sonst wirst du ertrinken", sprach der freundliche Affe und setzte den Fisch sicher auf den Baum.

"Das Gegenteil von gut ist gut gemeint", hörte ich erst gestern in Ö1 und brachte mich zum Schmunzeln - genauso wie dieser Affe. Wohl auch, weil ich mich selbst richtig gern zum "Affen" mache. Ein Erlebnis habe ich mir dabei eingeprägt - nämlich ein Gespräch mit einer Freundin.

Sie: "Ich bin traurig (...) Wie geht es dir?"
Ich: "Mir geht es sehr gut, (...) Ich wünschte mir nur, dir würde es auch so gut gehen."

Eigentlich war das doch gut gemeint. Ich fühlte mich eigenartig, ja vielleicht auch getrennt, wenn ich selbst glücklich bin, während der gegenüber gerade traurig ist. In den meisten Fällen wollen wir das scheinbare Problem dann unterbewerten, ist doch nicht so schlimm, Kopf hoch, wird schon wieder. Warum fällt es uns so schwer, "negative" Gefühle anzunehmen? Genau darin besteht ja schon das Problem: ich bewerte sie als negativ und daher sollen sie schnell wie möglich weg! So lernen wir aber nie mit ihnen umzugehen. Vielleicht benötigt jemand genau jetzt dieses Empfinden, um sich weiter zu entwickeln, genauso wie der Fisch das Wasser braucht.

"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu."

Erst kürzlich ist mir ein interessanter Gedanke des Philosophen Rosseau untergekommen: Es sei naiv zu glauben, dass eine wachsenden Vernetzung nicht zu einem wachsenden Konformitätsdruck führen würde. Genau das ist das Schwierige. Mit anderen zusammen zu sein, aber dabei nicht in eine Rolle überzulaufen, sondern das zu bleiben, was mensch gerade ist. Was mir schon zu zweit oft Schwierigkeiten bereitet, wird dann zur überwindbaren Herausforderung, wenn mehrere Leute zusammen sind. Abgesehen von Gruppen, die zusammen kommen, um die Vielfalt an Lebendigem in sich und anderen wahrzunehmen zu wollen. Das ist selten das Hauptmotiv eines Treffens, oder zumindest fällt es schwer, dieses Bewusstsein ohne angemessenen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Was passiert also meist bei Treffen von Menschen, die sich nicht der obigen Herausforderung bewusst sind: es wird eine gemeinsame Ebene gesucht, bei der möglichst alle (oder die mensch dabei haben will) mitspielen können. Meist ist diese dann sehr verflacht, und wenn mensch sich ehrlich ist, dann fühlt sich dieser Austausch nicht sehr bereichernd an. Natürlich, wenn gerade eine freudvolle, herzliche Runde zum Scherzen gelaunt ist, ist das etwas Wunderbares. Nur setzen wir doch jemanden hinein, der eigentlich gerade traurig ist. "... aber ich komme selten dazu."

"Das Gegenteil von Mut ist Anpassung."

Anpassung ist denke ich in dem Sinn gemeint, dass mensch seine eigenen Empfindungen und Bedürfnisse zurückstellt, um den Erwartungen und Gegebenheiten anderer zu entsprechen. Also sich selbst untreu ist, um der Harmonie willen. Dabei ist Harmonie so ein schönes Wort! Sind wir nicht alle gleich und wollen letztendlich das Selbe? Ja, letzten Endes schon, doch sind wir hier als Gesellschaft noch am Anfang unserer Reise. Heute denken wir, wir würden alle die selben Handys und das ganze Zeug brauchen. Der "Wohlstand" und damit die Lebensqualität einer Gesellschaft wird ja weltweit im pro Kopf Einkommen gemessen. Nicht, dass dieser technologische Fortschritt unser Leben vereinfachen würde, keine Frage. Aber solange wir uns auf dieser Ebene begegnen, ist es für mich klar: es ist Zeit, diese künstliche Harmonie zu brechen. Sich selbst treu sein und das zu auszuleben, was wir wirklich brauchen, und nicht, was uns die Werbung einbläuen will.

"Wer keine Grenzen setzt, schafft keine Räume."


Eine Freundin von mir meinte öfter, sie wäre zu erst immer mit ihren Lebensthemen bei anderen gegen die Wand gelaufen. Irgendwann hat sie sich entschieden, einen Raum aufzusuchen, bei dem diese Themen wert-voll und willkommen waren. Was ist das für ein spürbarer Unterschied von Lebensqualität? Das Schwierige ist dabei, seine Grenzen zu setzen. Wenn sich in dem einen Raum das was ich brauche nicht ergibt, so ist es meine Verantwortung, einen anderen aufzusuchen. Dabei ist es nun mal notwendig, den anderen zu verlassen - sich zu ent-scheiden. Dafür benötigt es unglaublichen Mut, sich nicht anzupassen, sondern seiner inneren Stimme zuzuwenden.

Denn weiß nicht jeder selbst, was gut für ihn ist? Und auch wenn andere einem dabei unterstützen wollen, so erteilen sie doch dabei gern Rat-Schläge und halten fest. Es sei ja gut gemeint! ;-)
Selcuk - 1. Feb, 14:17

Was heißt denn Harmonie?
Mensch muss erst einmal bei sich selbst anfangen und die Menschen so akzeptieren wie sie sind. Wenn Mensch versucht seinen Gegenüber in irgend ein Bild zu zerren, sind am Ende beide nur unglücklich.
Mensch mag jemanden? Dann versucht man eine Ebene zu finden auf der man sich verständigen kann, ohne sich selbst untreu zu werden.

Selcuk

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