Samstag, 31. Mai 2008

Gemeinsam(es) (Er)schaffen

Uns begleiten tagtäglich unzählige Fragen. Manche mögen anfangs trivial wirken, wenn es beispielsweise um die Wahl geht, zu welchen Konsumgütern wir greifen oder eben nicht. Manch andere scheinen uns zu überfordern, wodurch viele von uns sie erst gar nicht stellen wollen. Ich sehe sie allerdings als sehr bedeutend an, wenn ich ein mündiger Mensch werden möchte. Ein kleiner Auszug davon wäre: Warum leben wir in einen der materiell reichsten Ländern der Welt, und können oder wollen trotzdem so wenig (mit-)teilen? Obwohl jeder von uns weiß, das unser Reichtum großteils auf Ausbeutung und Kriegsführung beruht. Nach wie vor ist heute Sklaverei ein Thema, eine Unzahl unserer Waren werden unter lebensunwürdigen Bedingungen hergestellt. Vom Umgang mit der Natur ganz zu schweigen. Und warum leben wir in einem sogenannten "entwickelten, freien" Land, und haben dann keine freie Zeit für unsere Kinder oder für unsere Ältesten?

"Freiheit bedeutet Verantwortung; das ist der Grund, weshalb sich die meisten davon fürchten."

Viele von uns sind freier als sie gerne hätten. Deshalb lassen wir uns gerne vom in die Ferne sehen ablenken; der Wunsch nach Leichtigkeit, nach einem einfachen Leben in dieser komplexen und herausfordernden Welt scheint verständlich. Als ich als Schüler in Fabrikshallen mit monotoner Fließbandarbeit vereinnahmt war, hatte ich abends auch keinen Nerv und keine Muße, mir Gedanken über mehr als das Allernotwendigste zu machen - und das war oft schon zuviel. Sogar Adam Smith, der "Gründungsvater" der liberalen Marktwirschaft, meinte, dass die von ihm propagierte extreme Arbeitsteilung zur Verdummung der Arbeiterschaft führen würde. Es wundert daher auch wenig, dass Karl Marx, einer der einflussreichsten Kapitalismuskritiker, aus einer bürgerlichen Famile stammte. Die Arbeiterschaft hatten/haben schlicht und weg keine Zeit und Energie dafür.

Das Wertvollste, das wir (uns) schenken können, ist Zeit

Auch wenn wir scheinbar alle im kollektiven Stress stecken, als würde sich die Erde immer schneller drehen, so hindert mich keiner daran, auf Pause zu drücken. Stopp! Wo steh ich eigentlich heute und wo beweg ich mich hin? Entschleunigung ist für mich der zentrale Schlüsselfaktor, der unsere Wahrnehmung erweitern würde. Das lässt sich ganz einfach erfahren: Wenn ich durch die Straßen laufe, zielgerichtet, mit Gedanken in der Zukunft oder Vergangenheit, das muss ich auch noch erledigen! Meine Wirklichkeit, das, was auf mich wirkt, reduziert sich dann auf ein Minimum, ich lebe im Kopf, scheinbar isoliert von meiner Mitwelt. Eine Bettlerin sitzt am Straßenrand und streckt ihre Hände zur Passantin. Wie abgehärtet sind wir eigentlich, wenn wir hier völlig emotionslos, ja vielleicht sogar abwertend, vorbeieilen? Wir haben ja keine Zeit!? Und wenn doch, tappen wir in die "Ohnmachtsfalle", die unserer kontrollgeiler Verstand wie nichts anderes meidet .

Was kann ich schon tun?


"Die Basis für eine vorsorgende Gesellschaft ist Empathie", habe ich erst in einem Unikurs "für eine vorsorgende Gesellschaft" von einer anerkannten Professorin gehört. Und ich schließe mich dem völlig begeistert an - ja, wenn ich das sogar an einer Uni höre, wo normalerweise nur kognitives Wissen vermittelt wird, dann werden wir das wohl auch hinkriegen. Das beginnt ganz einfach beim Verstehen wollen, ganz gleich ob Asylwerber oder Ausländerfeindin, ich möchte verstehen. Verständnis verbindet, und Verbindung stärkt immens, denken wir nur an die Bedeutung "bester" Freundschaften in unserem Leben. Verstanden fühlen öffnet, wir erleben, dass wir doch nicht die Einzigen sind, denen es so geht. Aus Ignoranz entsteht Neugierde, aus Apathie wächst Engagement, der Hass und Ärger wandelt sich in Liebe: zu sich selbst und zur gesamten Mitwelt.

"Der nächste Buddha wird kein Individuum, sondern eine Gemeinschaft sein."

Ich will Verantwortung übernehmen. Ich will mir Antworten geben auf Fragen und Konflikte, die ich nicht unterstützens- und lebenswert empfinde. Ich will den Luxus meines freien Lebens gänzlich ausschöpfen und damit weiter denken. Ich will tiefe Freude und Verbundenheit in meinem Sein und meinem Tun erleben. Ich will sowohl jetzt, in diesem Augenblick, das tun, was ich als bereichernd ansehe als auch will ich, wenn die Zeit reif ist, auf mein Leben zurückblicken können und sagen: Ja, dafür hat es sich zu leben gelohnt. Und dabei besteht sicherlich keinerlei Korrelation zu meinem Stundenlohn. Konsequenterweise schlussfolgere ich daraus, dass ich einen Zeit- und Menschenraum aufsuche, in dem diese Sehnsüchte nicht nur willkommen, sondern auch geteilt werden. Ich will den Mut haben, meiner Verantwortung gerecht zu werden, und das heißt: Selbst die Veränderung zu sein, die ich in meiner Welt sehen möchte. Dabei genügt es ja bereits, selbst aufzuhören, anderen Lebewesen unnötigerweise auf die Füße zu treten. Das soll kein Verzicht sein, sondern ganz im Gegenteil: Wir leben in einem solch unermesslichen Überfluss, dass es Freude macht, diesen mit anderen zu teilen und uns ehrlich über unser Erreichen und Scheitern mitzuteilen. Es gibt kein Geben ohne einem gleichzeitigen Nehmen, wenn wir unser rationales Kalkül verlassen, also uns nicht nur als denkende, sondern uns auch als fühlende Menschen verwirklichen wollen. Darin besteht ein enormes Potenzial, das wir nur gemeinsam schaffen können, in dem wir Gemeinsames, das, was uns verbindet, erschaffen.

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