Sonntag, 12. Oktober 2008

Sein lassen

Ein Thema, das mich bereits mein Leben lang begleitet, hat heute einen weiteren traurigen Höhepunkt erlebt. Im Sommer während meines Auslandsaufenthalts erhielt ich zwei Botschaften, die mich ernsthaft überlegen ließen, meinen Kurs abzubrechen und zurückzukehren. Ein Krebs-Rückfall meiner Mutter, den sie bereits wieder überstanden hat, und die Nachricht, dass sich der Vater meines Mitbewohners und Freundes bereits seinem Lebensende nähert.

Zu Tränen gerührt und berührt

Ich musste und wollte sofort weinen, als ich die Nachricht von meiner Schwester erfuhr. Ich war mitten in einem Gemeinschaftskurs, und nach keinen 2 Minuten fragten mich schon die ersten, was los sei und boten ihre Unterstützung an. Später, als ich beim Wäsche abhängen realisierte, dass es das erste Mal ist, dass ich meine Betroffenheit mit so vielen Menschen teilen kann, saß ich am Boden mit Tränen der tiefsten Berührtheit.

Das, was uns trennt, verbindet uns zugleich


Ich bewundere, wie die Familie meines Freundes zusammenhält und sich gegenseitig unterstützt, ja auch vor allem seine Stärke und seinen Willen, Halt zu geben. Als ich in Tamera nach 3 Wochen friedlichem Sein diese traurige Seite von mir auslebte, kam ich auch vielen Menschen sehr nahe, wo davor noch diese Vertrautheit fehlte. Es tat so gut, mit Menschen zusammen zu leben, wo es selbstverständlich ist, dass mensch sich/seine Gefühle zeigt. Innerlich bekam ich wieder so ein klares Bild und Überzeugung, dass für mich nur ein Leben, wo ich alles ausleben kann, lebenswert ist.

"Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne"


Als im Frühling meine Geliebte sich von mir trennte, nahmen wir uns einen Tag Zeit, Abschied von unserer Liebesbeziehung zu nehmen. Wir weinten, sangen, lachten, lasen und schwiegen gemeinsam. Und wir sprachen zueinander fünf Dinge, die aus der Hospizlehre hilfreich sind, um in Frieden weiterzugehen:
Ich vergebe dir,
du vergibst mir,
ich danke dir,
ich liebe dich,
"good bye" - Lebe wohl.

Jede Berührung zulassen ist wahre Fülle.

Gerade die wunderschönsten Wesen und Erfahrungen können uns auch tief traurig machen. Ich habe unsere Trennung damals als eine Art Tod erlebt, es ist sicherlich etwas gestorben und es war ungewiss, was danach kommt. Ja, gerade diese Leere, dieser Verlust, die Unsicherheit vor dem Unbekannten, aber natürlich vor allem die Sehnsucht nach dem geliebten Menschen kann einem tief hinab in den Schmerz ziehen.

Sein lassen

Echtes Trauern ist dabei eine wahre Kunst. Die Gratwanderung zwischen Selbstmitleid und oberflächliches Verdrängen ist so sensibel. Raum und Zeit dafür zu nehmen ist wohl das Wichtigste - um den eigenen Weg des Friedens zu finden und den anderen in dieser Haltung gehen zu lassen. Vergebung und Dankbarkeit sind die richtigen Wegweiser. Und Akzeptanz, Leben Sein zu lassen.

Heute war es soweit. Robert ist friedlich - und so wie er es sich gewunschen hatte - zuhause im Kreise seiner Familie, eingeschlafen. Ich bin tief berührt, dass ich ihn gestern noch besuchen durfte, bin dankbar seiner Familie so nahe zu stehen und schicke allen Betroffenen meine herzlichste Anteilnahme.

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