Die Macht der Wertschätzung
Vergangene Woche bin ich wieder einmal in eine "wildfremde" Gruppe gestolpert. Vielen Menschen fällt es schwer, sich in solchen unvertrauten Umgebungen und der gegebenen Unsicherheit hinsichtlich dem, was kommen mag, wohl zu fühlen. Natürlich ist es ein Unterschied, ob ich zu einem "Dialog" im Verein zur Förderung der Lebensqualität gehe oder nehmen wir einen Extremfall her: ein Tibeter bin, der in einem chinesischen Straflager landet.
Eine Frage der Wertschätzung?
Es gibt Studien, dass gefolterte TibeterInnen in einem weit geringeren Ausmaß psychisch belastet sind als andere Folterungsopfer. Ursache ist das Mitgefühl für den Täter. Ich isoliere mich nicht vollständig, sondern versuche auch in solch einer schockierenden Situation eine gewisse Verbindung und Wertschätzung aufrechtzuerhalten: ich bin nicht das passive Opfer, identifiziere mich nicht mit dieser leidenden Rolle und kreiere damit auch kein zusätzliches Selbstmitleid.
Natürlich ist das jetzt kein Paradebeispiel zum Glücklich sein, und ich wünsche auch niemanden diese Erfahrung, aber es zeigt, wie weit eine Wertschätzung den Lebenswert aufrechterhalten kann.
"Ich habe einfach kein Glück im Leben!"
Wenn wir mit Menschen ins vertrautere Gespräch kommen, zeigen sich bald auch deren Wunden. Ganz gleich ob wir in armen, reichen, authoritären oder freieren Umfeldern aufwachsen, wir alle erleben nicht nur physischen Schmerz, sondern fallen auch psychisch so manches Mal auf die Nase. Beim Erzählen davon wird die Stimme zarter, die Tränen beginnen zu glitzern und mensch spürt die Intensität, wie solche Erfahrungen uns berühren. Das Leben stellt uns so manche Herausforderung, können wir sie wertschätzen? Kann ich meine und die Wunden anderer annehmen, zuhören, einen Sinn dahinter erkennen? Kann ich meinen bisherigen Lebensverlauf heute so akzeptieren und aus der passiven "Schicksalsopferrolle" aussteigen, um mein Leben jetzt aktiv zu gestalten?
"Ich bin ein menschliches Wesen und kenne deshalb auch alles Menschliche."
Ich bin also in dieser Gruppe, keiner kennt mich, sie kennen sich untereinander. Wie ich reagiere ist immer wieder spannend. Ich war gelassen, warum sollt ich ja auch angespannt sein? Ich bin ja hier um so zu sein, wie ich bin, und dafür muss ich mir wirklich keinen Druck machen. "Komm Christian, sei jetzt wie du bist, du musst dein Bestes geben!", könnte mein innerer Perfektionist sagen, aber darüber kann ich doch nur lachen! Wie schön! Und wenn ich schüchtern gewesen wäre? Ja schön, ich wertschätze auch das, das hat nunmal auch seine Berechtigung - und außerdem bin ich ein Stratege: erst wenn ich es zulasse, kann es auch wieder gehen. Ich wäre ja ordentlich beklemmt, wenn ich meine unangenehmen Empfindungen verklemmen würde.
Nix da, raus mit ihnen. Und tschüss!
"Als die Gruppe sich formierte, waren wir 30 Leute, jetzt sind wir nur noch ein Grüppchen. Ich überleg mir ernsthaft, ob ich auch nicht mehr kommen soll."
Wusch! Auf einmal stand diese Wortmeldung eines Teilnehmers im Raum, und weg war die "talking stick" Regel und die Harmonie.
"Also ich find unsere Gruppe sehr schön, es lässt sich viel besser auf die einzelnen Menschen eingehen und es ist nicht so chaotisch ...", kam sofort als Reaktion.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen - warum auch. Das ging dann einmal 5-10min so weiter, bis ich den "Redestab" ergriff. Wir hatten davor eine Stunde über die Bedeutung von Wertschätzung gesprochen. Jetzt hatten wir das perfekte Beispiel dafür: mit der ersten Aussage wurde eine Abwertung geäußert, nämlich, dass diese Gruppe für ihn weniger "Wert" hätte als die größere davor, und er ernsthaft überlegt auch auszusteigen. Für solch eine Aussage bedarf es vor allem an Mut und natürlich an Fingerspitzengefühl, an dem es vielleicht etwas mangelte. Zumindest kam keine verständnisvolle, empathische Reaktion, sondern eine entkräftigende wie "ist doch gar nicht wahr".
Für ihn ist es aber wahr, und das sollte wertgeschätzt werden.
Alleine seine Ehrlichkeit, seine Gedanken so offen zu äußern. Das fällt bei positiven Eindrücken natürlich viel einfacher als bei negativen, eben gerade deshalb, weil Ablehnendes einfach von anderen auch wiederum abgelehnt wird. Er hätte genauso einfach nicht mehr kommen können. Tja. Und damit geht auch das Potenzial, sich diese Spannung, die wohl jede/r irgendwie schon bemerkte, kollektiv bewusst zu machen und: darüber einen Dialog zu führen. Dadurch kann aus der scheinbar abwertenden Aussage etwas entstehen, dass einen Wert erschafft, den niemand davor für möglich gehalten hätte. Die Basis dafür ist Wertschätzung, auch für scheinbar Belastendes. Wenn ich mich dem reaktionären Impuls des Abwertenden nicht gelähmt ausliefere, sondern diesem Wert einräume, dann steige ich aus der "Abwertungsspirale", bejahe und fördere das Lebenswerte und fühle mich echt und frei: das verstehe ich unter der, nein, unter unserer Macht der Wertschätzung.
Eine Frage der Wertschätzung?
Es gibt Studien, dass gefolterte TibeterInnen in einem weit geringeren Ausmaß psychisch belastet sind als andere Folterungsopfer. Ursache ist das Mitgefühl für den Täter. Ich isoliere mich nicht vollständig, sondern versuche auch in solch einer schockierenden Situation eine gewisse Verbindung und Wertschätzung aufrechtzuerhalten: ich bin nicht das passive Opfer, identifiziere mich nicht mit dieser leidenden Rolle und kreiere damit auch kein zusätzliches Selbstmitleid.
Natürlich ist das jetzt kein Paradebeispiel zum Glücklich sein, und ich wünsche auch niemanden diese Erfahrung, aber es zeigt, wie weit eine Wertschätzung den Lebenswert aufrechterhalten kann.
"Ich habe einfach kein Glück im Leben!"
Wenn wir mit Menschen ins vertrautere Gespräch kommen, zeigen sich bald auch deren Wunden. Ganz gleich ob wir in armen, reichen, authoritären oder freieren Umfeldern aufwachsen, wir alle erleben nicht nur physischen Schmerz, sondern fallen auch psychisch so manches Mal auf die Nase. Beim Erzählen davon wird die Stimme zarter, die Tränen beginnen zu glitzern und mensch spürt die Intensität, wie solche Erfahrungen uns berühren. Das Leben stellt uns so manche Herausforderung, können wir sie wertschätzen? Kann ich meine und die Wunden anderer annehmen, zuhören, einen Sinn dahinter erkennen? Kann ich meinen bisherigen Lebensverlauf heute so akzeptieren und aus der passiven "Schicksalsopferrolle" aussteigen, um mein Leben jetzt aktiv zu gestalten?
"Ich bin ein menschliches Wesen und kenne deshalb auch alles Menschliche."
Ich bin also in dieser Gruppe, keiner kennt mich, sie kennen sich untereinander. Wie ich reagiere ist immer wieder spannend. Ich war gelassen, warum sollt ich ja auch angespannt sein? Ich bin ja hier um so zu sein, wie ich bin, und dafür muss ich mir wirklich keinen Druck machen. "Komm Christian, sei jetzt wie du bist, du musst dein Bestes geben!", könnte mein innerer Perfektionist sagen, aber darüber kann ich doch nur lachen! Wie schön! Und wenn ich schüchtern gewesen wäre? Ja schön, ich wertschätze auch das, das hat nunmal auch seine Berechtigung - und außerdem bin ich ein Stratege: erst wenn ich es zulasse, kann es auch wieder gehen. Ich wäre ja ordentlich beklemmt, wenn ich meine unangenehmen Empfindungen verklemmen würde.
Nix da, raus mit ihnen. Und tschüss!
"Als die Gruppe sich formierte, waren wir 30 Leute, jetzt sind wir nur noch ein Grüppchen. Ich überleg mir ernsthaft, ob ich auch nicht mehr kommen soll."
Wusch! Auf einmal stand diese Wortmeldung eines Teilnehmers im Raum, und weg war die "talking stick" Regel und die Harmonie.
"Also ich find unsere Gruppe sehr schön, es lässt sich viel besser auf die einzelnen Menschen eingehen und es ist nicht so chaotisch ...", kam sofort als Reaktion.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen - warum auch. Das ging dann einmal 5-10min so weiter, bis ich den "Redestab" ergriff. Wir hatten davor eine Stunde über die Bedeutung von Wertschätzung gesprochen. Jetzt hatten wir das perfekte Beispiel dafür: mit der ersten Aussage wurde eine Abwertung geäußert, nämlich, dass diese Gruppe für ihn weniger "Wert" hätte als die größere davor, und er ernsthaft überlegt auch auszusteigen. Für solch eine Aussage bedarf es vor allem an Mut und natürlich an Fingerspitzengefühl, an dem es vielleicht etwas mangelte. Zumindest kam keine verständnisvolle, empathische Reaktion, sondern eine entkräftigende wie "ist doch gar nicht wahr".
Für ihn ist es aber wahr, und das sollte wertgeschätzt werden.
Alleine seine Ehrlichkeit, seine Gedanken so offen zu äußern. Das fällt bei positiven Eindrücken natürlich viel einfacher als bei negativen, eben gerade deshalb, weil Ablehnendes einfach von anderen auch wiederum abgelehnt wird. Er hätte genauso einfach nicht mehr kommen können. Tja. Und damit geht auch das Potenzial, sich diese Spannung, die wohl jede/r irgendwie schon bemerkte, kollektiv bewusst zu machen und: darüber einen Dialog zu führen. Dadurch kann aus der scheinbar abwertenden Aussage etwas entstehen, dass einen Wert erschafft, den niemand davor für möglich gehalten hätte. Die Basis dafür ist Wertschätzung, auch für scheinbar Belastendes. Wenn ich mich dem reaktionären Impuls des Abwertenden nicht gelähmt ausliefere, sondern diesem Wert einräume, dann steige ich aus der "Abwertungsspirale", bejahe und fördere das Lebenswerte und fühle mich echt und frei: das verstehe ich unter der, nein, unter unserer Macht der Wertschätzung.
c4luxe - 4. Mai, 19:28
Viele Grüße
Aurisa
herzliches Dankeschön für dein "feed-back" im wahrsten Sinne des Wortes, solche Rückmeldungen nähren mehr als jegliches 5-Gänge Menü. :-)
Wünsche dir noch viele "spannende" Momente!
Christian