Sonntag, 18. Mai 2008

Danke Mama

Darf ich ehrlich sein? Ich finde diesen Titel ja schon etwas peinlich ...

Die implizite Frage: Was sollen denn die anderen von mir denken geht Hand in Hand mit dieser Scham. Da "muss" ich mir wohl erst mal Selbst-Empathie geben, bevor ich fortfahren kann:

Warum ist es mir denn so peinlich?

Diese Frage hat mich gerade zur Schamkultur bei Wikipedia gebracht, immer wieder erstaunlich wohin einem das Internet führen kann. Zitat: "In der Schamkultur gilt die öffentliche Wertschätzung als höchstes Gut." Und genau darum geht es ja auch mir! Um die öffentliche Wertschätzung - und es kommt eine Angst auf, weil ich sie in Gefahr sehe.

Mama!! Ich hab Aaaangst!

Mama ist von vielen das erste Wort, welches wir aussprechen. Es erinnert an unsere Kindheit und damit verbunden: unsere Abhängigkeit! Ich weiß noch genau, wie ich als Teenager für Mama andere Namen suchte, teilweise sogar abwertende. "Was, so nennst du deine Mama?", fragten dann oft meine Freundinnen und ich fand mich voll cool, gelöst, unabhängig auf ganz subtile Weise. Genauso fällt mir ein, wie ich darauf geachtet habe, wie ich bzw. Freunde mit ihren Eltern anders telefoniert haben als mit Gleichaltrigen (beinahe hätte ich Gleichgesinnte geschrieben).

Die Fragen selbst beantworten


Das, was ich jetzt etwas humorvoll schildere, ist aber in Wirklichkeit ein wesentlicher Prozess, will mensch nicht nur anhand der wachsenden Lebensjahre reifen. Nach und nach und mit viel Achtsamkeit ist es unterstützend und unabdingbar, das heranwachsende Kind selbst antworten zu lassen - und lernen, diese auch zu verantworten. Und noch wichtiger: nicht den Eltern gegenüber verantworten, und auch keiner Religion, Staat oder Freundin: sondern alleinig sich selbst. Dafür braucht es Selbstliebe, Unterstützung und Reife. Letzteres sehe ich in Gefahr, wenn ich von meiner Mama spreche. Es kommen rechtfertigende Gedanken, ich lebe so und so viele Jahre schon mein eigenes Leben ... !

Wir wollen ja doch alle dasselbe!

Nämlich geliebt werden. Die Eltern von ihren Kindern und natürlich umgekehrt. Den Kindern fällt es phasenweise aber sehr schwer, es zu zeigen. Den Eltern leider öfters auch, und nicht nur aus meiner Erfahrung mit der Familienaufstellung ahne ich, das dies wiederum weitgehend von ihren Eltern beeinflusst ist. Aber es ist doch schon etwas eigenartig, wenn sich Vater und Sohn nicht umarmen können, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Was würden wohl die anderen denken? Hihi... lustig und traurig zu gleich. Die "anderen" sind ja sowieso in ihrer eigenen Welt, und wenn sie mal rausschauen, dann sehen sie zwei Menschen, die sich gern haben. Wow, dafür zahlen manche Geld, um es im Kino zu sehen.

Wie gehts weiter?


Ich bedauere es ja sehr, wie belastet viele unserer Familien sind, besonders zwischen den Generationen. Viele Eltern stellen klare Erwartungen an ihre Kinder, und diese haben scheinbar nur zwei Möglichkeiten, wenn sie sich auf dieses Spiel einlassen: eigene Interessen unterordnen um (fremde!) Erwartungen zu erfüllen, mitspielen um "geliebt" zu werden. Oder der Unabhängigkeitsdrang, "nichts wie weg", ich bau mir ganz alleine alles auf. Beides bereitet sehr viel Schmerz, wenn ich auch nicht sagen will, das es falsch ist bzw. es einen Weg gäbe, der ohne Schmerz zu gehen wäre. Ich möchte trotzdem beides: Freiheit, das zu tun, was ich denke was richtig für mich ist und Verbindung zu meiner Familie: Verständnis, Unterstützung, Liebe.

Danke Mama


Als ich im Kindesalter den Spruch "Alles ist gut" einmal hinterfragte, der auf ihrer Pinnwand steckte, Beispiele brachte, die defintiv nicht gut seien und sie zustimmen musste, freute ich mich. Ha, sie hat nicht immer Recht und somit muss ich auch nicht immer auf sie hören. Das habe ich meine Jugend lang ausgekostet. Heute sehe ich den Wert und die Weisheit dieser Grundhaltung, die dahinter steht, so deutlich, dass ich dieser nicht nur meinen Blog, sondern mein ganzes Leben widme: Alles ist gut, alles hat seinen Wert. Meine Mama hat mir auch in der tiefsten (Des-)Orientierungsphase vertraut, mich geliebt, auch als ich beispielsweise überlegt habe, die Schule abzubrechen.

Die Revolution des Herzens


Sie hat etwas besonderes erkannt, wovon wir als Menschen noch eine weitere tiefgehende "Aufklärung" brauchen: dass der Wert eines Menschen nicht davon abhängt, was er tut, sondern was er ist. Ganz egal ob Mutter, Tochter, Schwester, Schwarz, Weiß, Alt, Gesund, Arm, Reich.

Heute und jetzt kann ich sagen, dass ich stolz bin, dein Sohn zu sein, dass ich dich und deinen Lebensweg bewundere und glücklich bin, dass wir uns heute so gut verstehen.

Danke Mama!

Dein Sohn
Christian

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